15.01.2024

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Familienunternehmen

„Jede Transformation ist im Kern eine kulturelle“

Dr. Maximilian Lude hält einen Vortrag auf einer Veranstaltung.

Dr. Maximilian Lude ist Forscher, Co-Creator und Speaker. Er fokussiert sich auf die Zukunftssicherung insbesondere von Familienunternehmen in Zeiten rasanter Veränderungen und berät mit seinem Team der philoneos GmbH Firmen bei Innovations- und Transformationsprozessen. Darüber hinaus ist Maximilian Lude Professor für Innovation & Strategie an der Tomorrow University of Applied Science.

Herr Dr. Lude, was halten Sie als kreativer Denker und Innovationsberater von der Verpackungsindustrie?

Als kreativer Denker betrachte ich die Verpackungsindustrie als äußerst wichtigen, vielfältigen und vielschichtigen Sektor – geradezu unterschätzt in der öffentlichen Wahrnehmung. Verpackungen spielen eine entscheidende Rolle, nicht nur bei der sicheren und effizienten Aufbewahrung und dem Transport von Produkten, sondern auch bei der Schaffung eines positiven Markenerlebnisses für die Kunden. Nicht zu schweigen von Haltbarmachung wichtiger Lebensmittel und Pharmaka. Der Reichtum an Facetten bedeutet gleichzeitig auch eine Schwierigkeit hinsichtlich Fokussierung bei Forschung und Entwicklung sowie Innovation. Verschiedene Kundengruppen, maximal diverse Einsatzbereiche, Reglements und politische Fehlinterpretationen, die zu neuen Verpackungsverordnungen führen, welche zirkuläre Ökonomie verhindern, statt zu fördern; Sie merken an meiner Antwort – meine Haltung bewegt sich auf einem Spektrum zwischen freudig und herausfordernd.

Ist das zum Teil aufwändige oder mehrfache Verpacken von Konsumprodukten noch ein Geschäftsmodell für die Zukunft? Warum bzw. warum nicht?

Wahrscheinlich wollen Sie das jetzt nicht hören: es kommt darauf an. Aktuelle Trends zeigen, dass Konsumenten eine hohe Wertschätzung für nachhaltige und sorgfältig durchdachte Produktverpackungen aufbringen. Ich denke, hier liegt viel Potenzial für Innovation, die von der Verpackungsindustrie entlang der Wertschöpfungskette getrieben wird. Man denke allein an ‚Second Use‘ von Verpackungen, wie es bei einigen Konsumentenprodukten schon angewandt wird. Das eigentlich verpackte Produkterlebnis über die Verpackung zu verlängern, sollte der Leitgedanke der Branche sein.


Darüber hinaus sollte – und das ist für keinen Leser hier etwas Neues – natürlich der Nachhaltigkeits-Gedanke authentisch und ehrlich beherzigt, aber auch kommuniziert werden. Daher auch meine vage Antwort ‚es kommt darauf an‘ – Greenwashing durch halbgare Nachhaltigkeits-Aspekte, die ein jeder hinsichtlich Echtheit und Ehrlichkeit durchschaut, können das Stimmungsbarometer der Konsumenten schnell ins Kippen bringen. Den Konsumenten also auf die Reise mitzunehmen und ihm auf intelligente Art und Weise zu kommunizieren, warum mehrfach verpackt wird, ist hier mit Sicherheit ein erster Ansatz.

Worin liegen die besonderen Chancen von Familienunternehmen wie Schubert eines ist?

Vielen Dank für diese Frage. Ich versuche mich kurz zu halten und hier keinen Roman zu verfassen, was dieser Frage eigentlich gerecht werden würde. Die Chancen von Familienunternehmen wie Schubert eines ist, sind mannigfaltig. Zunächst gilt es, den langfristigen Entscheidungshorizont der Unternehmerfamilie herauszustellen. Hier geht es in der Regel nicht um Quartalsziele, sondern um intergenerationale Ziele, die weitaus mehr als nur finanziell motiviert sind. Man spricht von Enkelfähigkeit und starken Werten. Das birgt Chancen für Innovation, da diese oft einen langen Atem benötigt.


Nicht selten blicken Familienunternehmen zudem auf eine lange Tradition zurück (so auch bei Schubert), die ein Wettbewerbsvorteil bei Innovation sein kann. Die oft jahrzehntelange und generationsübergreifende Fach- und Branchenexpertise kann gewinnbringend in die Zukunft überführt werden. In der Wissenschaft gibt es hierzu Publikationen mit dem Titel „Innovation through Tradition (ITT)“, welche aufzeigen, dass durch Neuinterpretation von bestehendem Wissen Innovationen in Familienunternehmen entstehen können. Und wenn wir ganz ehrlich sind, gäbe es auch keine Tradition bei Schubert, wäre da nicht immer konstant und kontinuierlich innoviert worden.


Der Unterschied von heute zu gestern ist maßgeblich die Geschwindigkeit, in der sich unsere Welt und dabei vor allem Technologien entwickeln. Das ist nun der Bruch zu den bislang aufgeführten Charakteristika von Familienunternehmen. Langzeit-Orientierung, Intergenerationalität und Beharrlichkeit stehen oft auf den ersten Blick im Widerspruch zu Geschwindigkeit. Aber eben nur auf den ersten Blick. Zu guter Letzt sollten wir bei all den Innovations-Chancen auch über die wohl größte Herausforderung in allen Branchen reden: der Arbeitnehmermangel. Auch hier sehe ich in der Zukunft deutliche Chancen für Familienunternehmen. Aber nur dann, wenn sie sich auf neue Arbeitsweisen und ein verändertes Skill-Set einlassen. Die Grundvoraussetzungen für einen Arbeitgeber der Zukunft haben sie: Werte, Wertschätzung und wertvolle Arbeit.

Hätten Sie einen Rat für die nächste Unternehmergeneration in einer Branche, die in den nächsten Jahren womöglich in eine größere Transformation geraten wird?

Ich gebe ungern universelle Ratschläge. Die Expertinnen und Experten der Branche wissen hier mit Sicherheit, in welche Richtung sie in der Zukunft steuern werden. Und da bin ich vielleicht doch schon bei einem Ratschlag: Jede Transformation ist im Kern eine kulturelle Transformation. Also nehmen Sie Ihre Teams mit auf die Reise und machen alle zu Intrapreneuren, also Kolleginnen und Kollegen, die unternehmerisch denken. Aus meiner Sicht der wichtigste Skill der Zukunft.

Und wie sollte die nächste Generation das tun? Welche Rollenveränderungen im Unternehmen (Stichwort Mitarbeiter) sehen Sie in Richtung einer notwendigerweise (Stichwort VUCA) effizienteren Wertschöpfung?

Ich bin der festen Überzeugung, die aktive Einbindung von Mitarbeitenden bei Innovations-Aktivitäten sowie die bewusste Schaffung von horizontaler Interaktion in vertikalen Organisationen tragen dazu bei, ein unternehmerisches Denken zu fördern. Des Weiteren verändern sich nicht nur Rollen im Unternehmen, sondern auch die Rolle des Unternehmens. Unternehmen müssen stärker als je zuvor eine Beidhändigkeit (lateinisch Ambidextrie) leben. Das bedeutet eine Balance aus Exploitation, also die ständige Weiterentwicklung des Kerngeschäfts, und Exploration, die kontinuierliche und systematische Suche nach neuen Geschäftsopportunitäten. Die genaue Ausgestaltung dieser Beidhändigkeit ist für jedes Unternehmen individuell zu entscheiden und an die vorherrschende Kultur und Ziele anzupassen: von ausgegliederten Explorations-Einheiten (im Sinne eines Lufthansa Innovation Hubs) bis hin zu ‚kontextueller‘ Ambidextrie, also der Dualität zwischen Tagesgeschäft und Innovation bei allen Kolleginnen und Kollegen.


Ein weiterer Aspekt, um sich auf die von Ihnen angesprochene VUCA-Welt (Volatility = Volatilität, Uncertainty = Unsicherheit, Complexity = Komplexität, Ambiguity = Mehrdeutigkeit) einzustellen, ist eine Veränderung in der Arbeitgeber-ArbeitnehmerInnen-Beziehung: weg von pauschalisierten und kollektivistischen Einheitsangeboten à la 38 Stunden nine-to-five hin zu individuellen Arbeitsverträgen, angepasst an die individuellen Präferenzen der einzelnen Kolleginnen und Kollegen. Wohlwissend, welche Herausforderungen das für den Bereich People & Culture (früher HR) birgt.

Welche Rolle spielen disruptive Themen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit dabei?

Digitalisierung sollte hier keine Extra-Erwähnung finden, sondern mittlerweile als Hygienefaktor in jedem mittelständischen Unternehmen beheimatet sein. Digitale Transformation – wie vorhin beschrieben, im Kern ein Kulturthema – wird oft als Buzzword für sämtliche Veränderungsanstrengungen vorgeschoben. Lassen Sie uns Klarheit schaffen: Am Anfang gilt es, große Investitionen in die Digitalisierung technischer Infrastruktur zu stecken (Digitization), mit dem Ziel der Prozessinnovation. Danach folgen Schnittstellen-Digitalisierung (Digitalization) mit dem Ziel digitaler Produkt- und Service-Innovation, und aufbauend darauf sprechen wir erst von „digitaler Transformation“, mit dem Fokus auf digitale Geschäftsmodelle und dem Ziel langfristiger Wettbewerbsvorteile (Soluk & Kammerlander, 2020).


Ähnlich unsensibel wird in einigen Firmen mit dem Begriff der Nachhaltigkeit hausiert. Nicht so bei Schubert. Die wenigsten Unternehmen sprechen von der zugrunde liegenden Vielfalt von Nachhaltigkeit in den Bereichen Ökologie und Soziales. Beides wichtige Handlungs- und Wirkungsfelder von mittelständischen Unternehmen. Doch wo fängt man an und wo hört man auf? Viele Unternehmen greifen auf die von der UN veröffentlichten SDGs (sustainable development goals) zurück und erstellen mit Unterstützung dieser Maßnahmenpläne. Andere gehen bereits den wichtigen Schritt und fertigen Wesentlichkeitsanalysen an, welche ab 2024 im Rahmen des Nachhaltigkeitsberichts für viele Unternehmen verpflichtend sein werden.


Vielen Dank für das Gespräch!

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